Offener Brief an unsere Stimmkreis-Abgeordnete Andrea Lindholz, CSU
ASCHAFFENBURG 17.11.2020
Sehr geehrte Frau Lindholz,
heute schreiben wir Sie als Kollegin im Kreisrat Aschaffenburg und direkt gewählte Bundestagsabgeordnete im Stimmkreis Aschaffenburg an.
Als in Ihrer Region lokale Vertreter der größten Oppositionspartei im Bundestag haben Sie noch nie das Gespräch mit uns gefunden, da Sie unsere Politik und Zielsetzungen als „undemokratisch“
bezeichnen, uns im sogenannten „Kampf gegen Recht(s)“ keine Bühne bieten wollen und uns unterstellen gegen das Grundgesetz und gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu arbeiten.
Jetzt arbeitet Ihre Fraktion im Bundestag selbst gegen die verfassungsmäßige Gewaltenteilung und daran die Grundrechte durch die Exekutive außer Kraft setzen zu lassen.
Im neuen Ermächtigungsgesetz, das am Mittwoch in zweiter und dritter Lesung behandelt wird und abgestimmt werden soll heißt es in Artikel 7:
„Durch Artikel 1 Nummer 16 und 17 werden die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 GG), der Freizügigkeit (Artikel
11 Abs. 1) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13, Absatz eins) eingeschränkt.”
Dieses Gesetz wird durch den Bundestag ohne öffentliche Debatte gepeitscht!
Warum sprechen wir vom „Ermächtigungsgesetz“?
Weil in diesem Gesetzentwurf der Drucksache 19/23944 das Wort „ermächtigt“ 12x, das Wort „Ermächtigung“ in verschiedenen Wortverbindungen 13x vorkommt!
Weil es die bisher durch die verschiedenen Corona-Verordnungen überschrittenen Kompetenzen der Exekutive nachträglich legitimieren soll!
Weil es die Exekutive ermächtigt schwerwiegende Entscheidungen unabhänig von einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ ohne die Einbeziehung des Bundestages zu beschließen und zu
exekutieren!
Sie sind von den Bürgern in Stadt und Landkreis als unsere Stimmkreis-Vertreterin in den Bundestag gewählt worden, um die Interessen der Bevölkerung – so vielfältig sie auch sein mögen – dort zu
vertreten. Sie sind durch uns Aschaffenburger ermächtigt die Regierung zu wählen, aber auch verpflichtet deren Handeln zu kontrollieren. Sie sind nicht gewählt worden, um den Willen einer Regierung
zu exekutieren, die die Lebenswirklichkeit der Menschen aus dem Blick verloren hat und den Kampf gegen Corona wissentlich nutzt, um unsere Grundrechte, die von den Verfassungsvätern als
„unabänderlich“ im Grundgesetz manifestiert wurden, in einem seit 1945 nie gekannten Ausmaß zu beschneiden.
In Ihrem Amtseid haben Sie geschworen:
„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine
Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe“.
Es ist Ihre Pflicht, die Bevölkerung vor Schaden zu bewahren und das Grundgesetz zu wahren! Es gibt keinen Grund auf dieser Welt, die Regierung so bedingungslos und unbefristet nach ihrem
Gutdünken zu ermächtigen und aus der Kontrolle durch den Bundestag zu entlassen!
Erzählen Sie uns nicht, dass diese umfassende Ermächtigung notwendig ist, um unser Volk vor einem Corona-Grippe-Virus zu befreien, von dem selbst die WHO mittlerweile sagt, dass er „no more
dangerous than a flu“ ist.
Kennen Sie den Unterschied zwischen dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 und dem Ermächtigungsgesetz vom 18. November 2020?
Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 hatte eine zeitliche Bindungsfrist von vier Jahren, die dem Ermächtigungsgesetz vom 18. November 2020 fehlt.
Beide Gesetze wurden (werden) mit der Mehrheit der bürgerlichen Vertreter im Parlament verabschiedet. Und ich unterstelle, dass bei beiden Abstimmungen den bürgerlichen Vertretern nicht klar war,
was sie damit auslösen und manifestieren. Aber im Unterschied zum Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 können Sie dieses Mal nicht sagen, dass Sie das „nicht gewusst“ haben. Diesmal sind Sie es, die
mit Ihrem Namen abstimmen. Lernen Sie aus unserer Geschichte!
Sehr geehrte Frau Lindholz,
Solch schwere Eingriffe in die Grundrechte der Menschen, Beschränkung oder gar Entziehung, dürfen keinesfalls allein der Executive überlassen werden, schon gar nicht unbefristet und inhaltlich
unkonkret.
Denken Sie vor der morgigen Plenarsitzung noch einmal darüber nach, was Sie politisch wirklich wollen.
Beachten Sie als direkt gewählte Abgeordnete das freie Mandat.
Nehmen Sie bitte Ihre politische Verantwortung als frei und direkt gewählte Vertreterin der Bürger in Stadt und Landkreis wahr.
Sehen Sie sich nicht als legislatives Ausführungsorgan der Regierung.
Trotz aller politischen und eventuell auch persönlichen Differenzen zwischen uns:
Dieses Gesetz geht zu weit!
Dieses Gesetz ermöglicht staatliche Willkür!
Stimmen Sie gegen dieses Gesetz!
Überzeugen Sie Ihre Fraktionskollegen, es Ihnen gleich zu tun!
Denn es geht um viel mehr als um eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“!
Viele Grüße mit allem Respekt für Ihre Person
Klaus-Uwe Junker, Jörg Baumann, Joachim Rausch
Vorsitzender, stellvertretende Vorsitzende
Literaturnachweis: